Dr. Claus-Peter Böhner

Bewußtmachung durch Phantasie

 

Kunst und Leben bedingen einander. Kunst reflektiert, durchdringt den Alltag, reagiert auf Veränderungen und ewig Gleiches. Kunst nimmt gesellschaftliche Konflikte auf, wirkt als Katalysator und hat die Chance, Zusammenhänge aufzuzeigen, uns das, was sich in dieser Welt abspielt, ganz konkret sichtbar zu machen. Das ist es, was der Künstler Dietermüller mit seinen im wesentlichen großformatigen Bildern will.

 

Dietermüllers Kunst steht in Beziehung zu Raum und Zeit, ist reflexiv motiviert mit einer zweifelsohne konkreten Aussage. Dietermüller verbindet in seinem Werk gekonnt Mythologie, Zeitgeist,Psychologie und Phantasie.

 

Mit akribisch-feinem Pinselstrich setzt er dabei die Akzente. Dem Betrachter, der sich auf des Künstlers Ansichten einläßt, tritt zuerst etwas figürliches, zumeist der Mensch, entgegen. Er ist genau erkennbar mit seinen Träumen, Ängsten und Sehnsüchten.

 

Der Hintergrund steht meist in einem auffälligen Kontrast dazu und dient dem Maler a priori als emotionale Ausgangsbasis, ist gewissermaßen fürs Atmosphärische gedacht. So ergibt sich ein facettenreiches Panorama, das uns Betrachter fordert und zugleich in Atem hält. Ob wir hier dem kühlkalkulierenden Kapitalisten oder dort der schier schwebenden Verträumten begegnen, Dietermüller nimmt auf, was ihn berührt — und eben nicht marktschreierisch provokativ, sondern mit der ihm geboten scheinenden Sensibilität unter Außerachtlassung jeder Ideologie. Auf diese geschickte und sympathische Art und Weise erreicht der Künstler sein Ziel: Bewußtmachung durch Phantasie!

 

Dietermüllers phantastische Bilderwelt, die sowohl Reales als auch Surreales darstellt, animiert uns Betrachter zum genaueren Hinsehen und zum Überprüfen unserer eigenen Wahrnehmung.

Aufgrund seines sur-realen Malstils hat sich Dietermüller bewußt fürs künstlerisch-konventionelle „Handwerk" entschieden, wollte er doch technisch so malen können wie Leonardo da Vinci. Daß Dietermüller es kann, hat er uns mit dem vorliegenden Bildband einmal mehr unter Beweis gestellt.

 

Dr. Claus-Peter Böhner, Galerist Mannheim, den 15.9.1998